Am 17. November traf ich Rune in der neuen Location für POOL.Berlin in Berlin Mitte, ganz in der Nähe vom betahaus Co-Working Space beim Checkpoint Charlie. Dass ich an diesem Tag dort war, war purer Zufall. Einige Wochen zuvor traf ich mich mit einem Freund zu einem Kaffee-Date, ganz Corona-Konform natürlich draußen. Als wir einen Kaffee geholt hatten, trafen wir einen Bekannten von ihm, der gerade als Freelancer für POOL arbeitete. Von POOL hatte ich zuvor noch nie gehört, aber als er uns die Geschichte dahinter erzählte, musste ich unbedingt den Gründer treffen. Er gab mir den Kontakt von Rune Orloff. Rune ist einer der beiden Gründer von POOL, kommt aus Dänemark, lebt aber schon seit sieben Jahren in Berlin.
Nur ein paar Tage vor dem Treffen mit Rune zog POOL in eine neue Location. Den Kaffee gab es aus der noch nicht eingerichteten Küche und wir machten einen Rundgang durch die neuen Räumlichkeiten, die bald Showroom, Office und Experience Space unter einem Dach für die POOL-Idee sein werden. Wir saßen in dem lichtdurchfluteten Industrieraum mit hohen Decken. Wie groß der Raum wirklich war, merkte ich heute nochmal, als ich den Hall unserer Stimmen auf den Aufnahmen hörte.
Was genau ist das Konzept von POOL?
Bei POOL meldet man sich an, wie z.B. bei Spotify. Man beginnt eine Mitgliedschaft und entscheidet sich für ein Paket mit einer Anzahl von 'Kleiderbügeln'. Für einen festen Betrag pro Kleiderbügel kannst du dann unseren POOL Kleiderschrank nutzen , auf all unsere Produkte zugreifen und so oft tauschen wie du möchtest. Man kann aber auch alles zurückbringen und seine Mitgliedschaft pausieren oder beenden wann immer man will - ganz flexibel! Wenn man mal zwei Monate Pause machen will, ist das total OK für uns.
Also kommt man vorbei und sucht sich einfach etwas aus?
Ja, oder man sucht sich etwas in der App aus und anschließend werden dir die Sachen innerhalb Berlins in 24 Stunden mit dem Rad gebracht. Wir haben eine kleines Team an Fahrradkurieren, die das übernehmen werden. Sie nehmen dann das alte Teil auch gleich wieder mit.
Unser Ansatz ist: Kill Fashion with more Fashion. Lasst die Leute so viel anziehen wie sie wollen. Wenn sie wollen, jeden Tag etwas ‘Neues’.
Der Ansatz von Slow-Fashion und Sustainable Fashion liegt in der Entschleunigung von Mode. Das ist ein Ansatz, der sich auf den Kauf ausrichtet, nicht aber auf das Tragen der Kleidung. Wir haben weltweit so viele Kleidungsstücke, die getragen werden können, wieso sollten wir uns deshalb einschränken?! Es gibt so viele junge Kunden, die sich durch Mode ausdrücken wollen. Wir wollen sie nicht bremsen, indem wir ihnen erzählen, dass sie sich festlegen sollen.
Wir wollen Kleidung als Service etablieren, nicht als Ware.
Wie viel kostet eine Mitgliedschaft?
Der erste Kleiderbügel, also ein Teil, kostet 29 Euro pro Monat, jeder weitere 20 Euro. Es gibt aber auch einen für 9 Euro, das sind dann nur T-Shirts.
Für wen macht ihr POOL?
Wir adressieren junge Kunden, die wissen, dass Besitz kein Statussymbol mehr ist. Bei uns heißt es 'Access over Ownership' , und unsere Kunden verstehen das.
'Access over Ownership'
Unsere Kunden wissen, dass sich unser Modekonsum ändern muss und sie sind jetzt schon offen dafür. Sie verstehen, dass man, um nachhaltiger zu leben, nicht auf den Spaß an der Mode verzichten muss. Wir richten uns an die Kunden, die vielleicht auch den Konsum von nachhaltigen Produkten in Frage stellen, weil er nicht zu ihnen passt.
Wie groß ist POOL jetzt?
Derzeit sind wir noch in der beta-Phase, aber das Interesse ist groß, auf Seiten der Marken und Kunden. Die Warteliste mit Kunden, die starten möchten, wird täglich länger.
Und wie viele Styles habt ihr on Stock?
Derzeit haben wir etwas über zweihundert Styles verfügbar, aber wir können hier ca. 2000 Kleidungsstücke lagern. Nach unserer Schätzung sollte das für Berlin dann eine gute Kollektionsgröße sein. Insgesamt haben wir aktuell 20 fixe Partnermarken und sind mit mehreren anderen gerade in finalen Gesprächen.
Was für Marken oder Kleidungsstücke gibt es bei euch?
Bei POOL gibt es Kleidungsstücke, die im normalen Handel eher hochpreisig sind, von Designern und kleinen Marken, wie z.B. Comme Des Garcons, Byborre, Soulland, Hien Le - echte Fashion eben.
Wie gehen die Männer mit den Sachen um?
Das ist unterschiedlich, so wie sie wahrscheinlich auch zuhause mit ihren Sachen umgehen. Manche kommen mit den Sachen gewaschen und gebügelt, manche im Wäschesack. Aber das ist eigentlich auch egal, da bei uns alles vor der nächsten Vermietung in die Reinigung geht. Innerhalb von 48 Stunden haben wir dann alles wieder für das nächste Mitglied bereit. Für die Reinigung haben wir einen sehr guten Partner gefunden, wir arbeiten mit Berlin Clean Team. Falls mal etwas beim Tragen kaputt geht, sind die Sachen versichert. Nur verlieren sollte man nichts.
Woher kommt der Name POOL?
Der stand für mich seit Anfang an fest, weil es genau das sagt, was es ist: Ein Pool von Kleidungsstücken, die jeder nutzen kann. Der Name ist so generisch, dass sich den Namen jeder merken kann.
Was ist das Besondere an POOL?
Wir unterschieden uns hauptsächlich darin, dass keines der Produkte, die bei uns verliehen werden, für uns gemacht wurde.
Wir haben diese Kleidungsstücke nicht bestellt. Sie kommen zu uns, weil sie nicht verkauft wurden. Es sind Teile, die im System feststecken. Derzeit ist es Kleidung, die durch die Corona-Krise nicht verkauft wurde. Für die Marken gibt es nicht wirklich eine Verwertungs-Lösung für nicht abverkaufte Kleidung, die der Brand keinen Schaden zufügt. Auch die nachhaltigen Marken, die eigentlich bei keinem Flash Sale oder Black Friday mitmachen wollen, reduzieren häufig eine Woche später ihre Sachen, weil sie sie irgendwie den Überbestand reduzieren möchten. Wir bieten diesen Marken eine Lösung an und ermöglichen Kunden, die sich nicht zu solchen modischen oder teuren Teilen auf Dauer festlegen möchten, die Möglichkeit, diese trotzdem tragen zu können.
Was macht ihr mit den Kleidungsstücken, die kaputt gehen?
Idealerweise sortieren wir zukünftig die verschiedenen Stoffe und daraus könnten dann neue Produkte entstehen. Wir überlegen auch, eine Up-Cycling Kollektion daraus zu machen, die wir in unseren POOL aufnehmen und weitervermieten wollen. Das gibt es dann auch nur bei uns und bereichert uns noch mehr. Aber wir reden auch mit Firmen,die etwas ganz anderes aus den Produkten machen, wie Kleiderly, die aus Alt-Textilien Kleiderbügel machen.
Was ist das Ziel von POOL?
Das große Ziel ist es, in den größten Städten der Welt POOLs zu eröffnen: London, New York, Madrid, Mailand, ... Als Mitglied geht man dann in egal welcher Metropole zu der POOL-Location, nimmt mit, was man gerade möchte oder braucht und kann es auch in einer der anderer POOL-Locations zurückgeben. Das Ganze hin und her senden ist nämlich auch nicht nachhaltig und es ist viel spannender, wenn man im POOL seiner Stadt überrascht wird mit Teilen, die von woanders kommen, von Marken die man noch gar nicht kannte. POOL ist dann ein Konzept & Unternehmen, das man von überall nutzen kann, wenn ein POOL in der Nähe ist.
Wie bist du dazu gekommen, POOL zu gründen?
Magst du die lange oder kurze Geschichte hören?
Die lange bitte. Ich will wissen, was die Leute bewegt, die solche Unternehmen gründen.
Den Großteil meiner Karriere habe ich im Vertrieb verbracht. Hauptsächlich habe ich Vertriebsstrukturen im B2B-Bereich in der Modeindustrie aufgebaut. Ursprünglich habe ich ein Bachelor in Mode gemacht und ich bin sofort im Vertrieb gelandet. Mein Vater war auch im Vertrieb, es lag also irgendwie in den Genen. Aber im Gegensatz zu meinem Vater oder dem klassischen Sales, bei dem es viel um Zahlen und Sales-Ziele geht, habe ich oft Positionen begleitet, um mehr die Ideen der Marke zu verkaufen, als die Produkte selbst. Leute für die Marken zu begeistern, war Teil meiner Vertriebs-Strategie. Häufig habe ich Händler, die Produkte der Marken, für die ich arbeitete, verkaufen wollten, abgelehnt, um das Markenimage zu schützen.
Ich habe dann begonnen für Henrik Vibskov zu arbeiten. Wir hatten damals viele Fashion Shows von Korea über Paris, NY, LA und ich war überall mit dabei. Ich konnte wirklich sehen, wie saisonale Kollektionen aufgebaut und ausgewechselt werden. Zwei Jahre lebte und arbeitete ich dann in New York, führte die Marke in den USA ein und öffnete Retail für sie.
Ein paar Jahre später wurde ich von MYKITA abgeworben. Meine Aufgabe dort war es, aus dem guten Produkt, eine echte Lifestyle Marke zu machen. Mykita sollte zur Lifestyle Marke werden und meine Aufgabe war es, auch eigene Stores für sie zu eröffnen, damit die Brillen nicht nur bei Optikern erhältlich sind. Ich habe neben der Store-Expansion auch das E-Commerce Geschäft aufgebaut. 5 Jahre war ich bei Mykita. Trotz all der Arbeit am Marken-Image, ging es auch immer darum, wie man am besten verkauft.
Ich wollte eigentlich immer ein Unternehmen gründen, selbständig sein und an eigenen Ideen arbeiten, hatte aber immer das Glück, von tollen Marken in Positionen angestellt zu werden, aus denen ich sehr viel eigenständig leiten und entscheiden konnte. Aber vor drei Jahren habe ich mich entscheiden, dass ich beruflich etwas machen möchte, das eine Art positiven Effekt auf die Erde hat.
Als Erstes habe ich einen Freund in New York angeschrieben, der bei Parley for the Ocean arbeitet. Die meisten kennen Parley von deren Kooperation mit Adidas. Der Freund sagte, ich solle ihn in drei Tagen auf den Malediven in der Ocean Plastic School treffen. Das habe ich gemacht und habe dann mit Parley Plastik am Strand gesammelt. Im Anschluss habe sofort begonnen in der Ocean Plastic School zu arbeiten. Dort sind viele Menschen aus verschiedenen Disziplinen, von Wissenschaftlern bis hin zu Marketing-Leuten, die alle etwas Sinnvolles machen und bewegen wollen. Ich blieb ein Jahr dort und lernte viel über Ocean Plastic. Was man damit machen kann, was nicht und ich brachte selbst Ideen zu Produkten ein. Mein Fokus-Projekt war eine der weltweit größten Brauereien. Das Unternehmen ist sehr engagiert, in der ganzen Branche etwas zu ändern, z.B. die Plastikflaschen abzuschaffen oder die Plastikringe um Bierdosen. Diese haben sie dann selbst gegen Kartonringe getauscht.
Zu dieser Zeit habe ich mich stark mit dem Müllproblem auseinander gesetzt und was mit unserer linearen Industrie falsch zu laufen scheint. Ich habe mich mit meinem Fashion-Netzwerk ausgetauscht und mich erkundigt, wer eigentlich etwas plant, das anders funktionieren kann. Aber es schien niemanden zu geben. Dabei wächst der Fashion Markt immer noch mit seinem schädlichen System. Mein Interesse war nach diesem Jahr geweckt, hier etwas anders zu machen.
Ich habe dann ein Projekt gestartet, das 'Sardin' hieß. Sardin, weil, wenn bei einem Schwarm Sardinen ein einziger Fisch die Richtung ändert, ändert der ganze Schwarm die Richtung. Die Idee war einfach: Wir präsentieren erst die Kollektion und bestellen dann nur das, was tatsächlich von Kunden geordert wurde. In der normalen Produktion wird immer ca. 30 % zu viel auf ‘Vorrat’ bestellt, weil das Risiko, zu wenig zu haben, mehr kostet als zu viel zu haben. Ein Fehler im System. Bei Sardin hatten Highsnobiety, Parley und Ganni mitgemacht. Also alles Branchen-Insider. Wir haben 8 Kampagnen mit namhaften Designern gemacht und haben diese vermarktet und auf die Orders gewartet. Wir hatten im Handumdrehen hohen Traffic auf den Kampagnen, aber keiner wollte bestellen. Den Kunden waren die Wartezeiten zu lange und das Produkt zu ungewiss. Damals ist mir das Problem noch bewusster geworden: Jeder kennt das Problem, aber weil keiner eine Lösung hat, wird das alte System, was so schädlich ist, einfach weiter von allen vorwärts getrieben. Und welche Erkenntnis für mich am gravierendsten war: Der Kunde war noch nicht bereit für ein neues System.
Danach habe ich als Berater für Ganni gearbeitet. Die Marke agiert sehr nachhaltig, aber in Thema Außenkommunikation und Kommunikation zwischen den Abteilungen musste noch viel getan werden. Ich habe eine Strategie für Ganni aufgesetzt und mit ihnen umgesetzt, bei der auch intern Nachhaltigkeit besser kommuniziert werden konnte. In diesem Rahmen haben wir auch Ganni Repeat, ein Miet-Programm für Mode in Kooperation mit Levi's umgesetzt, bei dem Styles ausschließlich vermietet werden und sie keiner kaufen, also besitzen kann.
Das alles führte dazu, dass ich letztes Jahr die Idee zu Pool hatte und Kristian Rix, einem Freund, davon erzählte. Wir wollten schon lange etwas zusammen machen. Wir stellten uns die Frage, wieso wir immer noch alles besitzen müssen, was wir verwenden? Wir haben uns auch von Unternehmen wie Grover inspirieren lassen. Dann haben wir uns auch Miet-Mode-Konzepte für Damen in den USA angeschaut, die es seit 10 Jahren gibt. Für Männer gab es kein Angebot, abgesehen von Miet-Anzügen.
In meinen Augen gibt es keine wirklich nachhaltige Fashion-Marke. Es gibt einige, die ihr Bestes geben und versuchen nachhaltiger zu sein, aber ganz geschafft hat es noch keine.
Wir haben uns das Wort und die Bedeutung ‘Besitz’ angeschaut und haben uns gedacht, vielleicht ist das die Wurzel für unser Problem. Gerade als Corona begonnen hat, haben wir den Businessplan für POOL geschrieben und es ging nur darum, den ‘Besitz’ in der Mode zu eliminieren. Wir kamen zu dem Schluss, dass wir in der Mode das Konzept aus MAKE-TAKE-WASTE, zu einem Service-Konzept wandeln müssten, so wie es in anderen Industrien schon gemacht wurde.
Wir haben uns dann Peer-to-Peer Konzepte angesehen und die Business-to-Consumer Miet-Konzepte.
Uns ist dabei eins aufgefallen: Business-to-Consumer Miet-Konzepte sind wie normale Händler-Strukturen aufgebaut. Sie kaufen die Ware zu Großhandels-Preisen ein und vermieten sie dann an Kunden. Es ist auch ein lineares System, zwar mit ein paar Loops in der Mitte, aber immer noch linear. Es ist eine Verlängerung, aber keine Veränderung.
Wir wollten es anders machen. Ich wusste, es gibt fast 30 % Überschussproduktion in der Modeindustrie. Bei den kleineren, coolen Labels sind es zwar etwas weniger, aber auch sie bestellen geplant zu viel. Also haben wir uns Deutschland angeschaut: Hier sind es 1.5 Millionen Kleidungsstücke, die jedes Jahr zu viel produziert werden.
Wir haben dann begonnen, mit den kleineren Marken zu reden gefragt, was sie mit den Kleidungsstücken vor haben, die sie nicht zum Vollpreis verkaufen. Die Antworten waren alle gleich, es gab keinen Plan, außer sie zu reduzieren, so lange, bis sie verkauft sind. Es gab keine andere Alternative als die übrig gebliebene Ware zu verkaufen und damit loszuwerden. Die kleineren Marken brauchen auch das Geld für die Produktion der Kollektion der nächsten Saison.
Aber ihnen ist auch bewusst, dass sie mit jeder Reduzierung ihre eigene Marken schädigen, deswegen sind Rabatt-Aktionen eigentlich nicht in ihrem Sinn. Also haben wir sie gefragt, wie sie es fänden, uns diese Kleidung zu geben. Und so ist die Idee von POOL entstanden.
Am Ende zeigte mir Rune noch die weiteren Pläne, wie der Raum sich bald von einer leeren Halle in einen Ort der Fashion-Experience verwandeln soll. Mir gefällt das ganze Konzept so gut, dass ich ihn fragte, ob sie das auch bald für Frauen machen.
Er lächelt: “Ja, das wäre nicht auszuschließen, aber erstmal nicht.”
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