Vor 14 Jahren stellte Steve Jobs das erste iPhone vor. Die Schlangen vor den Apple Stores waren schier endlos, als das iPhone in die Stores kam. Der Hype um die neueste Technologie erlebte ein noch nie vorher Dagewesenes Hoch. Erst vor einem Monat erschien das iPhone 12, also im Schnitt ein neues Modell pro Jahr. Aber jedes Jahr ein neues iPhone kaufen? Ergibt das Sinn und was passiert dann mit den alten Modellen?
Genau mit diesem Thema beschäftigt sich seit nunmehr 12 Jahren reBuy. reBuy, das ist das größte ReCommerce Unternehmen Europas, wenn es um Consumer-Elektronik geht. Allein 2018 hat reBuy 90 bis 100 Millionen Umsatz in dieser Kategorie erzielt. (Hier findet ihr ein komplettes Firmenprofil zu dem Unternehmen). Also ein echter Gigant in dem Bereich ‘Alternativen zu Neuwaren’. Daher war ich überrascht, dass sich der CEO persönlich Zeit für mich und meinen Blog nahm und ich wurde neugierig auf den Menschen an der Spitze des Unternehmens. Am 7. Januar durfte ich ein digitales Interview mit Philipp Gattner, dem CEO von reBuy führen.
Magst du erzählen wie du zu reBuy kamst ?
Ich habe ganz klassisch Wirtschaftswissenschaften auf Bachelor studiert und das reichte aus, um zu verstehen wie Unternehmen in der Theorie funktionieren. Anschließend habe ich ein Masterstudium in Entwicklungspolitik gemacht. Mein eigentlicher Plan war, meine berufliche Laufbahn in die Richtung Internationale Organisationen zu lenken. Während des Studiums und der dazugehörenden Praktika habe ich aber schnell gemerkt, dass, obwohl mich dieser Bereich sehr interessiert, er sehr reguliert ist und es eher schwer wird, Veränderungen in dem Bereich anzustoßen.
Anschließend bin ich in die Beratung bei McKinsey gegangen, vor allem, um im Bereich öffentlicher Sektor zu arbeiten, was ich aber nur am Anfang auch tat. Das war dem Umstand geschuldet, dass ich 2008 dort angefangen habe und die Finanzkrise zugeschlagen hat. Das hat alles etwas aufgewirbelt und in den 6 Jahren, die ich bei McKinsey war, habe ich in verschiedenen privatwirtschaftlichen Projekten als klassischer Strategie-Berater gearbeitet.
2014 habe ich McKinsey mit dem Ziel verlassen, etwas Eigenes zu gründen. Ich hatte damals zwar verschiedene Ideen im Kopf, aber nichts hat mich vollends begeistert. Für mich war es wichtig, ein Geschäftsmodell zu finden, was zum einen wirtschaftlich sinnvoll ist, damit es rentabel sein kann, aber andererseits einen Sinn erfüllt bzw. einen positiven Nebeneffekt mitbringt. Ich wusste, dass ich viel Zeit und Energie in meine Arbeit stecken würde und wollte sichergehen, dass ich mich mit etwas beschäftige, dass sinnvoll ist. Daraufhin hatte ich viele Ideen betrachtet und auch wieder verworfen. In dieser Zeit bin ich auch mit Lawrence Leuschner ins Gespräch gekommen, einem der Gründer von reBuy.Er ebnete schon während seiner Schulzeit den Weg für die Gründung des Unternehmens. Er fragte mich, ob ich nicht zu reBuy kommen wollte, weil reBuy genau das bot, was ich suchte.
Wie war dein Einstieg bei reBuy?
Ich stieg als VP Business Development ein. Danach wurde ich zum Chief Strategy Officer und bin nun seit knapp zwei Jahren Geschäftsführer von reBuy.
Wie würdest du sagen, hat sich reBuy in der Zeit, in der du nun dabei bist, also die letzten 5 Jahre weiterentwickelt?
Wir sind mittlerweile ein führendes ReCommerce-Unternehmen in Europa. Vor 5 Jahren waren wir nur in Deutschland und Österreich tätig, mittlerweile sind wir in sieben Ländern vertreten. Spanien, Italien, Frankreich, Niederlande und UK sind seit dem dazugekommen. Wir haben zwei starke Kategorien, das sind Unterhaltungselektronik und Unterhaltungsmedien. Bei Letzterem ist vor allem die Unterkategorie Bücher beliebt. Ich werde auch nicht müde darüber zu sprechen, dass wir kein Marktplatz sind im klassischen Sinne. Wir vermitteln nicht einfach zwischen Verkäufer und Käufer, sondern fungieren als direkter Vertrags-/Ansprechpartner für beide Seiten. Zudem decken wir die komplette Logistik, inkl. Testen der Produkte, Aufbereitung und Lagerung ab. Einerseits lösen wir das Problem, dass Kund:innen nicht wissen was sie mit ihren ungenutzten Sachen machen sollen. Wir kaufen die Ware zu einem Festpreis an. Bei Elektronik haben wir die Besonderheit, dass die Ware geprüft und refurbished wird. Mittlerweile verfügen wir sogar über eigene Reparaturwerkstätten. Durch diese Entwicklung können wir die Lebensdauer von Produkten zusätzlich verlängern.. Auf der anderen Seite verkaufen wir die angekaufte Ware dann auch wieder. Elektronik sogar mit 36 Monaten Garantie. Das ist zwei Jahre länger als die Hersteller-Garantie!
Obwohl ReCommerce per se nachhaltig ist, gibt es auch kritische Stimmen zu dem Thema. Da heißt es, das ReCommerce es den Leuten zu einfach macht, Dinge schnell wieder loszuwerden und verleitet zu noch mehr Konsum. Wurde reBuy mit solcher Kritik auch schon konfrontiert?
Nein, mit solcher Kritik wurden wir noch nicht konfrontiert. Ein Produkt ist auf eine bestimmte Lebensdauer ausgelegt, sagen wir z.B. 5 Jahre. Unsere Aufgabe ist es nun, dafür zu sorgen, dass das Handy auch 5 Jahre genutzt wird und nicht nach 2 Jahren in einer Schublade verschwindet. Leider passiert das immer noch recht häufig. Unsere Aufgabe ist erfüllt, wenn Ungenutztes zurück in den Kreislauf gelangt und schließlich von einer anderen Person weiterverwendet werden kann.Wichtig ist für uns auch der Aspekt der Reparaturen, der es ermöglicht, dass Produkte über ihre eigentliche Lebensdauer weiterleben können. Beide Punkte sind nicht fadenscheinig nachhaltig, sondern vermindern tatsächlich Elektroschrott, sowie CO2 und schonen wichtige Ressourcen und somit auch unseren gesamten Planeten.
Werkstatt in Rudow
Anders ist das natürlich bei Unternehmen, die Produkte nur gegen Gutscheine für Neuwaren annehmen. Diesen geht es vor allem darum, gebrauchte Produkte aus dem Verkehr zu ziehen, um noch mehr Neuware zu verkaufen.. Da verstehe ich die Kritik.
Bei euch fällt doch sicherlich aber auch Elektroschrott an. Wenn euch jemand Elektronik sendet, die nicht den gemachten Angaben entspricht und man es nicht mehr zurück haben möchte, was tut ihr dann damit?
Wir kaufen grundsätzlich nur Produkte an, die einen dieser beiden Kriterienpunkte erfüllen:Einwandfreie Artikel die nach einer Prüfung eigentlich gleich weiterverkauft werden können und Artikel mit Schäden, die wir selbst reparieren können, bevor wie sie weiterverkaufen.
Wenn uns ein Kunde oder eine Kundin etwas schickt, das wir nicht weiterverkaufen können, weil es Schäden hat, die wir nicht reparieren können, dann haben die Kund:innen zwei Möglichkeiten: Entweder wir senden es wieder kostenlos zurück oder wir nehmen das Produkt, mit ihrer Einwilligung, an und recyclen oder spenden es.
Wenn es nicht mehr funktioniert geben wir es in den Recyclingprozess, zu unseren Partnern. Sie zerlegen die Produkte in die einzelnen Bestandteile und gewinnen, sofern das möglich ist, die Ressourcen für weitere Produkte zurück.
Wenn uns Produkte überlassen werden, die für den Wiederverkauf nicht geeignet sind, aber noch funktionieren, dann spenden wir diese. Derzeit arbeiten wir dafür mit Karuna e.V. zusammen. Das ist eine Sozialhilfe-Organisation, die gerade jetzt in Zeiten von Corona einen Partner gesucht hat, der ihnen alte Handys zur Verfügung stellt. damit sie Bedürftigen stetig Informationen zur aktuellen Lage und möglichen Hilfsangeboten geben können. Da haben wir mehrere Tausend funktionierende Telefone gespendet.
Eure zweite Kategorie sind Unterhaltungsmedien, wie Bücher und CDs. Beides eigentlich Kategorien, denen man in den Neuwarenmarkt häufiger den Tod vorhergesagt hat. Wie seht ihr das und worauf wird reBuy in Zukunft setzen?
Hättest du mir diese Frage zu meinem Start bei reBuy gestellt, hätte ich gesagt, es ist richtig vollen Fokus auf die Unterhaltungselektronik zu setzen und die Medien als zusätzliche Sparte mitzunehmen. Mittlerweile habe ich mich eines Besseren belehren lassen. Man muss in den Medien stark differenzieren zwischen den Unterkategorien. In den Subkategorien Videospiele, Filme und Musik zeigt sich gerade im Neumarkt eine Entwicklung nach unten. Diese Tendenz wird sich voraussichtlich auch im Gebrauchtmarkt in einigen Jahren zeigen. Von den besagten Produkten werden wir keine grossen Wachstumsraten mehr erwarten können..
Anders sieht das bei Büchern aus. Dies ist die größte Subkategorie bei Medien. Hier ist der Neuwarenmarkt fast stabil und der Gebrauchtmarkt ist momentan sogar im steigen. Kund:innen haben verstanden, dass sie Bücher gebraucht kaufen und vor allem auch verkaufen können. Wir haben gesehen, dass zweistelliges Wachstum in den Medien machbar ist und erwarten das auch noch in den nächsten Jahren.
Für uns ist eine nachhaltige Entwicklung wichtig. Das bedeutet, dass wir in nächsten 12 Monaten voraussichtlich keine neuen Länder oder Kategorien zumindest eröffnen werden gross. Stattdessen setzen wir alles daran in unseren beiden Kategorien und in den sieben Ländern, in denen wir bereits tätig wird, noch besser zu werden. Wir möchten uns in den nächsten 12-18 Monaten darauf fokussieren, unseren Kund:innen ein noch besseres Erlebnis geben zu können. Unsere Benchmark ist hier die gleiche Experience zu schaffen wie andere große E-Commerce Unternehmen und das Thema Gebrauchtware aus der Nische in den Mainstream zu holen.
Es gibt derzeit eigentlich keinen Grund, nicht 'gebraucht' zu kaufen.
Nach 5 Jahren in der Branche, wie schätzt du die Entwicklung des ReCommerce in der Zukunft ein?
ReCommerce ist auf einem guten Weg aus der Nische, würde ich sagen. Ich bin Lawrence Leuschner, Daniel Freudenberger und den anderen Gründern von reBuy sehr dankbar, dass sie sich vor 15 Jahren auf ein Geschäftsmodell gestürzt haben, dass es so damals nicht gab. Häufig ist es in der Start-Up Welt ja so: man schaut, was es in den USA gibt und bringt es dann nach Europa. Bei ReCommerce war es aber anders. Das kommt aus Europa.
Jetzt liegt ReCommerce sehr im Trend. Das merkt man in drei Bereichen:
Die Anzahl der Kunden:innen, die immer häufiger zu gebrauchter Ware greifen als noch vor einiger Zeit, wächst.
Es ist leichter gute motivierte Mitarbeiter:innen zu finden. Diese überlegen sich einfach genauer, für welche Art von Unternehmen sie arbeiten möchten. Da treffen wir derzeit auch einen Nerv.
Und es ist auch leichter an Investoren und Finanzierung heranzukommen. Auch hier spielt das Thema Nachhaltigkeit endlich eine größere Rolle.
Es gibt derzeit sehr viele Start-Ups die auf den Zug 'Secondhand' aufspringen. Allerdings auch viele, die nicht erfolgreich sind. Was wären Tipps die ihr jungen Start-Ups in dem Bereich mitgeben könntet?
Es fällt mir schwer hier konkrete Tipps zu geben, da alle Unternehmen irgendwie anders funktionieren, aber ich kann einen Wunsch formulieren. Ich weiß natürlich viel über die Branche und weiß daher auch, wie gut die Qualität von gebrauchten Produkten sein kann. Trotzdem ist die Hürde für Konsument:innen gebrauchte Ware zu kaufen, noch sehr hoch. Das mag vor allem an falschen Vorstellungen und Vorurteilen liegen. Und darauf bezieht sich auch mein Wunsch: die Kund:innen müssen stetig informiert werden, wieviel Sinn es ergibt, gebraucht zu kaufen und welche Vorteile das hat. Wenn man das erklärt, finden Konsument:innen es einleuchtend und sie werden zu potenziellen Kund:innen zugunsten von ReCommerce und der Circular Economy. Jedes Unternehmen, in diesem Bereich, sollte über die konkreten Vorteile des eigenen Konzeptes, gegenüber den Marktplätzen und Neuwaren kommunizieren.
Es liegt an uns allen zusammen, diese positive Bewegung, die bereits in Gang ist, weiter auszubauen.
Kaufst du persönlich auch vermehrt Secondhand?
Auch vor meiner Zeit bei reBuy habe ich schon 'gebraucht' gekauft, aber durch rebuy ist das jetzt noch stärker der Fall. Wenn ich meine Wohnung vor meinen Augen durchgehe, ist vieles Secondhand oder auch UpCycled. Ich bin passionierter Fahrradfahrer und habe ein Faible für Vintage-Räder. Als Vater nutze ich viele Secondhand Angebote für Kindersachen. Da macht das Ganze noch mehr Sinn, da sie besonders schnell aus Kleidung herauswachsen oder Interesse an Spielsachen verlieren.Hier finde ich die lokalen Möglichkeiten oder auch mein persönliches Netzwerk eine gute Lösung.
Ich bedanke mich vielmals bei Philipp, der sich die Zeit genommen hat mit mir über reBuy und seine persönliche Geschichte zu lesen.
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