Der Gesetzesentwurf vom 12.02.2020 zur Aktualisierung des Kreislaufwirtschaftsgesetzes beinhaltet eine Obhutspflicht, sodass funktionstüchtige Ware in Zukunft nicht mehr aus Kostengründen vernichtet werden darf. Bei den Unternehmen löst allein der Entwurf bereits eine Suche zur Lösung des Problems und damit nach neuen Geschäftsmodellen aus.
Die Regierung möchte eine sogenannte Obhutspflicht für den Umgang mit Retouren und nicht verkaufter Neuware einführen. Dadurch soll die Vernichtung von Produkten durch Händler verringert und die Menge an Warenspenden erhöht werden. Doch noch bevor das Gesetz verabschiedet ist, stellen sich die Unternehmen bereits auf ihre neuen Pflichten ein und bringen eine Reihe von Lösungsorientierten Geschäftsmodellen an die Startlinie.
Welchen Missstand soll das Gesetz auflösen?
Wir Kunden sind ziemlich begehrt und so versuchen die Online Händler uns nicht nur mit vielen Rabatten und Sonderaktionen zu locken, sondern auch durch ein Plus an Serviceleistung. Spätestens seit Zalando vor 11 Jahren den kostenlosen Versand und die 100 Tage kostenlose Retoure in den Markt eingeführt hat, bestellen wir uns Auswahloptionen nach Hause. Mittlerweile wird jedes sechste Paket als Retoure wieder zurück geschickt.
In Deutschland gehen 280 Mio. Pakete, also ca. 487 Mio. Artikel pro Jahr, zurück. Davon werden laut der Universität Bamberg ca. 3,9% entsorgt (ca. 19,5 Mio Artikel) und nur 0,9% (ca. 4,4 Mio Artikel) werden gespendet.
Trotz der niedrig klingenden Prozentzahl an Retouren, ist dies laut Regierung und anderen Organisationen, wie Greenpeace, Ressourcenverschwendung und widerspricht unserem jetzigen Kreislaufwirtschaftsgesetz.
Online Händler ihrerseits kämpfen, um die Retourenquoten zu senken: bessere Beschreibungen, detaillierte Bilder, genauere Maße. Aber trotz vieler Dinge, die mal schief gehen können, am Ende bleibt der verwöhnte Kunde das Problem. Retournierte Artikel können im Handling (Prüfung bei Wareneingang und Rücksortierung) mehr kosten, als sie wert sind. Manche Händler beziffern dies im Schnitt mit bis zu 15 Euro. Kein Wunder, dass das ein oder andere Teil voll funktionsfähig in der Entsorgung landet. Deswegen spricht man im Volksmund auch vom Retourenvernichtungsgesetz.
Natürlich passiert es auch, dass Einkäufer oder Produktmanager nicht den Kundengeschmack treffen. Manchmal ist das Wetter nicht so wie es sein soll, oder andere Faktoren, führen dazu, dass Saisonale Produkte als Ladenhüter in den Regalen liegen bleiben. Diese Produkte verursachen, allein durch ihre Lagerung Kosten, die ein Unternehmen decken muss. Übersteigen die verursachten Kosten den Wert des Produktes, landet auch dieser 'tote' Lagerbestand manchmal in der Entsorgung. Deswegen spricht man manchmal auch vom Warenvernichtungsgesetz.
Ja, auch ich habe schon Dinge in die Entsorgung geschickt, da Lieferkosten zu einem Lager zu teuer waren.
Wegen solcher Aussagen und Praktiken, will die Regierung jetzt das KrWG nachbessern.
Die angestrebte Lösung der Regierung
Umweltministerin Svenja Schulze will verhindern, dass eigentlich noch intakte hochwertige Waren, vor allem im Onlinehandel, vernichtet werden, etwa um Platz in den Regalen zu schaffen oder weil wegwerfen günstiger ist als den zurückgesandten Artikel wieder neu anzubieten. Deswegen will sie das aktuelle Kreislaufwirtschaftsgesetzes (KrWG) schärfen und eine ‘Obhutspflicht’ integrieren, die dieses Problem fokussiert. Im Februar 2020 legte sie daher einen neuen Gesetzesentwurf vor, der mit konkreten Verordnungen dafür sorgen soll, dass Warenvernichtung eliminiert oder mindestens vermindert werden soll. Derzeit ist das Ausmaß der Retouren- und Warenvernichtung nicht genau bekannt, weswegen der Gesetzentwurf der SPD-Politikerin auch vorsieht, die Händler zur Offenlegung zu verpflichten, inwiefern sie Ware vernichten. Pläne, wie man das Ganze überprüfen kann, gibt es aber nicht. Der Gesetzesentwurf sieht lediglich eine Selbstdeklaration des Händlers vor.
Da das Gesetz noch keine klaren Verordnungsvorschläge enthält, laufen die Diskussionen über die konkrete Ausgestaltung der Obhutspflicht derzeit auf Hochtouren. Für einige Inhalte, wie die Maßnahme, dass Ware als Sachspende umsatzsteuerfrei weitergegeben werden kann, will sich die Ministerin persönlich einsetzten. Damit sollen mehr Organisationen Spenden erhalten können, ohne dass es zu finanziellen Nachteilen für die Unternehmen kommt. Hier sieht die Ministerin z.B. Sozialkaufhäuser und andere Einrichtungen im Fokus.
Gibt es nicht schon ein Retourengesetz?
Ja, das gibt es, aber es ist nicht Teil des KrWG. Es regelt grundsätzlich den Umgang und die Rechte bei Rücksendungen zwischen Kunden und Händlern. Er greift nicht weiter. Mit der nun geplanten Gesetzesänderung soll die Obhutspflicht einen neuen Umgang mit den Retouren beim Händler erzwingen.
Wie geht es jetzt in der Diskussion um die Obhutspflicht weiter?
Auch wenn der Gesetzesentwurf hart umstritten ist und noch mitten in der Entstehung (nach Prognosen wird es nicht mehr in dieser Legislaturperiode verabschiedet), bereiten sich die Unternehmen auf das kommende Gesetz vor. Während die Regierung auf mehr Spenden und veränderten Service hofft, sitzen bei einigen Unternehmen bereits Projektteams zusammen und bringen neue Geschäftskonzepte an die Startlinie, um mit Retouren, Überhängen oder Restposten weiteren Umsatz zu generieren. Hierzu gehören unter anderem Miet-Commerce-Unternehmen wie die Relenda GmbH und ReCommerce Unternehmen wie Rebuy, aber auch andere Unternehmen, die ursprünglich aus karitativen Bereichen kommen, wie TEXAID.
Unternehmen wie Zalando (Zalando Pre-Owned) und Amazon (Amazon Warehouse) bauen eigene Geschäftssegmente auf oder aus, über die sie diese Produkte “wie neu” weiterverkaufen können.
Bis die Diskussion über das Gesetz beendet ist und es verabschiedet wurde, ist es vielleicht gar nicht mehr nötig. Neue Geschäftsmodelle mit der Ware, deren Vernichtung zu dem Gesetzesentwurf geführt hat, schreiben da vielleicht schon längst schwarze Zahlen.
Was lernen wir daraus?
Der Gesetzesentwurf ist ein Resultat aus dem Verhalten der Händler, als auch aus dem Verhalten ihrer Kunden. Unser Einkaufsverhalten trägt dazu bei, dass solche Gesetze nötig werden. Gesetzte bezwecken eine Verhaltensänderung bei den betroffenen Parteien, aber sie können nicht voraussehen, in welche Richtung sich das Verhalten verändern wird. Bei diesem Beispiel sehen wir sehr schön wie allein die Ankündigung eines Gesetztes die Entwicklung neuer Geschäftskonzepte befeuert. Ob sie letztlich in die vom Gesetzgeber gewünschte Richtung gehen, können wir noch nicht absehen. Aber das beabsichtigte Ziel wird wahrscheinlich dennoch erreicht, intakte Waren werden nicht mehr vernichtet.
Quellen:
ww.t3n.de
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