Björn ist 35 Jahre alt und lebt seit 6 Monaten in Berlin. Eigentlich ist er Wirtschaftschemiker, derzeit arbeitet er als Sustainability Manager für Tier Mobility. Björn kennen ich noch gar nicht so lange, aber er war der Erste der mich anschrieb und sagte: Ich überleg bei deinem Projekt mitzumachen. 5 Minuten später fiel ihm aber leider ein, dass er ein neues Handy und einen Laptop braucht und ich hatte meinen ersten Follower schneller wieder verloren, als ich mich freuen konnte. Björn hatte für ein Jahr auch einen Podcast: Easy Impact Radio, in dem er Tipps und Tricks zu einem nachhaltigeren Leben gab und mit Leuten redete, die einen positiven Einfluss auf unsere Welt haben wollen. Schon bevor ich mit dem Rebound Stuff Project startete holte ich mir ein paar Tipps bei ihm ab.
Björn lebt mit ganz leichtem Gepäck und das schon seit Jahren. An dem 16ten Tag meines Projektes saß ich dann mit ihm zusammen und habe mir von ihm nochmal erklären lassen wie das alles so kam.
Björn, wie kam es zu dem Entschluss alles zu verkaufen und deine Zelte abzubrechen?
Während meiner Zeit im Chemie-Großkonzern verfolgte ich schon Ziele wie mein Karriere und ein hohes Gehalt. Aber es war immer mein Ziel genug zu sparen um mir meinen Traum der Weltreise zu erfüllen.. Dafür hatte ich einen Großteil meiner Besitztümer verkauft. Die Elektronik und Kleidung habe ich bei meinen Eltern eingelagert. Das war so das Ende meines „Besitzes“. Ich wollte reisen, und Besitz war dabei ein Ballast. Da war jetzt aber auch nichts Wertvolles dabei, die Möbel waren noch aus meiner Studentenzeit. Aber ab da lebte ich eben nur mit dem was in einen 48 Liter Rucksack passte.
Während der Reise hatte ich auch gar keinen Platz Souvenirs oder andere Dinge zu kaufen und mitzunehmen, dann ist man auch gar nicht mehr in Läden gegangen. Das war auch irgendwie befreiend. Shopping ist nicht Teil des Reisens gewesen und man konnte mehr die Kultur kennenlernen.
Alles was ich unterwegs brauchte habe ich mir dann geliehen. Zum Wakeboarden habe ich mir dann einfach ein Neoprenanzug und ein Board geliehen und zum Surfen eben ein Surfboard. Bei Wanderungen in Südostasien oder Mittelamerika kann man sich alles von Jacken bis hin zu Handschuhen mieten. Einmal habe ich sogar einen Holzwanderstock gemietet.
Auch einen Neoprenanzug?
Ja auch Neoprenanzüge. Auch wenn das zum Mieten wirklich nicht das Geilste ist. Aber wie jeder Tauchlehrer sagt:
“Ihr seid nicht die ersten die Reinpinkelt, und ihr werdet nicht die letzten sein.”
Bei der einen Weltreise ist es dann ja nicht geblieben, oder?
Nein als ich wieder zurück war, habe ich zwar weitere zwei Jahre im Konzern gearbeitet, habe mich aber nichtmehr so in dieses Leben eingefügt. Ich habe dann gekündigt mit dem Plan mich selbständig zu machen. Nachdem ich meine Pläne zur Selbstständigkeit geprüft und aus verschiedenen Gründen wieder verworfen habe, bin ich erstmal wieder gereist.
Hast du dir nur auf Reisen Sachen gemietet?
Nein. Mit einem Freund habe ich eine Tour durch Deutschland zu verschiedenen Wakeboardanlagen gemacht. Wir wollten das mit dem Camper machen, aber keiner von uns hat einen besessen. Da haben wir uns über die Plattform Paul Camper einen Van gemietet. Der Vermieter war super nett. Er hat die Plattform, genau wie wir zum ersten mal genutzt und es hat alles super funktioniert. Dabei hat er sich Zeit genommen und ist alles mit uns im Detail durchgegangen. Dieses Beispiel zeigt, dass Mieten auch gut ist um Materialien oder Lebensstile zu testen, die man interessant findet. Wenn man dann merkt, dass es etwas für einen ist, kann man sich auf Basis der Mieterfahrung entscheiden ob man dann vielleicht doch Kaufen möchte.
Aber zur Zeit wohnst du auch nicht in deiner eigenen Wohnung, oder?
Seit Anfang 2019 arbeitete ich bei Tier Mobility und musste die ersten 6 Monate viel reisen, weswegen ich mich trotz Festanstellung gegen einen festen Wohnsitz entschieden habe. Erst mit einer neuen Position in der Firma, habe ich eine Wohnung in Berlin zu Zwischenmiete gesucht und gefunden. Die Wohnung ist voll möbliert und nur meine Kleidung und meine Boards gehören mir. Vor allem wollte ich etwas flexibles, da ich mich noch nicht zu Berlin verpflichten wollte und es war auch eine gute Möglichkeit im schwierigen Wohnungsmarkt von Berlin kurzfristig eine Wohnung zu finden. Für die Vermieterin war das auch die optimale Lösung, da sie mit ihrem Freund zusammengezogen ist, aber die Wohnung nicht aufgeben wollte. Und ich musste mir keine Gedanken machen, welche Möbel ich beschaffe und wie ich einen großen Umzug organisiere.
(ich unterbreche) Die kann man jetzt aber auch mieten, zumindest in Berlin, bei Lyght Living.
Ach, sieh an. Wusste ich noch nicht.
Dann hätte man das ja auch schnell lösen können.
Mir ist schon auch wichtig, dass die Einrichtung ästhetisch schick aussieht. Aber gerade bei Air BNB schauen die Vermieter da ja auch mega darauf, dass das gut eingerichtet ist. Es gibt echt viele Airbnb's in denen man gut leben könnte, ohne dass einem irgendwas gehört von der Einrichtung.
Was mietest du sonst noch so?
Für meinen nächsten Trip nach Japan miete ich bei Grover eine Drohne und eine GoPro. Ne, entschuldige miet’zen werde ich die.
Oder du schaust mal bei Otto Now, wer eben die besseren Preise hat.
Ach die Vermieten jetzt auch? Das ist mir Neu.
Ja gut, dass es jetzt so einen Blog gibt der einem sowas erzählt.
Und jetzt arbeitest du auch bei einem „Vermieter“
Ja genau, ich arbeite bei Tier Mobility, die ein Sharing Anbieter für E-Scooter in vielen deutschen Städten sind. Das ist eigentlich ganz interessant: Die E-Scooter Industry ist die erste, in der ein Produkt in erster Linie als Miet-Produkt wahrgenommen wird, als etwas was man besitzt. Leute, die einen E-Scooter mieten sind in der absoluten Überzahl gegenüber denen, die einen eigenen besitzen. Letzten Sommer sind wegen der Gesetzgebung alle Anbieter zeitgleich auf den deutschen Markt gekommen, so dass die Medien über die Industie schreiben, als wären all Anbieter gleich, dabei agieren wir sehr unterschiedlich als die amerikanischen Mitbewerber, vor allem was die Haltbarkeit der Roller, die operativen Prozesse und auch die Instandhaltung angeht.
Gerade in Berlin kann man ja eigentlich alles zwischen einem E-Scooter und einem Wohnmobil auf Anfrage mieten. Am besten sind natürlich Fahrräder, die haben den geringsten ökologischen Fussabdruck. Aber auch wenn man ein Fahrzeug mal etwas länger als nur für einen Weg braucht, gibt es schon gute Angebote. Ich nutze zum Beispiel Swapfiets. Da zahlt man 20 Euro im Monat für ein Fahrrad-Sorglos-Paket.
Denkst du es ist eine Phase im Leben, in der du alles mietest oder das bleibt jetzt so?
Ich denke es ist eher ein Lifestyle als eine Phase. Ich sammele lieber Erlebnisse als Besitz. Nichtsdestotrotz kann ich mir durchaus vorstellen ein Haus zu kaufen, dabei geht es aber weniger um den Besitz und den Gedanken darin zu wohnen als um die Wertanlage.
Um Besitz macht man sich eben auch Gedanken. Wer ein Auto besitzt muss sich auch um Ölwechsel kümmern. Wenn ich ein Auto miete, kümmere ich mich um das Auto genau solange wie ich es nutze.
Was würdest du dir wünschen, dass man es mieten könnte was es gerade noch nicht zu mieten gibt?
Ja ich wollte Möbel sagen, aber die meinst du gibt es ja schon. Prinzipiell bin ich der Meinung, dass man alles mieten können sollen was materiell ist. Ich denke führt dazu, dass man eher Dinge nutzt, die eine höhere Qualität und eine längere Lebensdauer haben. Dann kann man sich eben die Hilti Bohrmaschine für einen Tag leihen, die sich auch dazu besser eignet, weil sie länger hält. Ich glaube das macht bei vielen Dingen Sinn, vielleicht nicht bei allen, aber bei vielen.
Was würdest du nicht mieten?
Ich wollte sagen Handy oder einen Laptop, aber jetzt während des Gesprächs und während ich darüber spreche macht es vielleicht sogar Sinn das zu mieten, vor allem da eh bald alle Daten in der Cloud gespeichert sind. Mein Wakeboard möchte ich auch nicht missen. Immer wenn ich eins gemietet habe, habe ich ne Stunde zum Einfahren gebraucht. Da ist es schon besser sein eigenes Brett unter den Füßen zu haben. Alle Dinge die einen emotionalen Wert haben, die will man doch auch behalten und dann auch besitzen. Vor allem Erbstücke und Geschenke können schon besonders sein. Dann achtet man auch sehr darauf, repariert auch mehr und sorgt dann auch für einen langen Lebenszyklus. Es ist auch schön Dinge zu besitzen, die einem etwas bedeuten.
Das wollte ich dann die letzten Worte sein lassen...
… aber da kommt jetzt doch noch was. Elf Tage nach dem Interview telefonierte ich mit Björn. In erster Linie um den obigen Text durchzugehen und meinen Schreibstil ein bisschen sehr zu tunen. Er erzählte mir, dass er bei Grover Drohne und GoPro nicht zusammen mieten konnte, da er das “Bestell-Limit” überzogen hatte. Er war etwas verwirrt über den Mietprozess. Anscheinend hatte er zuviel als Erstkunde in seine Bestellung gepackt und hat dann 24 Stunden später eine Stornierung erhalten. Da er den Prozess der Stornierung sehr unglücklich fand und sich gewünscht hätte, er wäre vor der Bestellung auf die Beschränkungen hingewiesen worden, mietet er jetzt seine Geräte bei dem Wettbewerber Gearflix am Flughafen Düsseldorf.
Alles wertvolles Feedback für meinen Blog.
Björn, ich danke dir vielmals für das Interview und den Einblick in dein Leben mit wenig Besitz.
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